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Open Space / 44. Art Cologne

Susanne M. Winterling

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Late Show Cologne
Artforum Diary, 2. Mai 2010

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Duell mit Perl-Armband
Süddeutsche Zeitung, 24./25. April 2010

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Von Catrin Lorch. Auf der 44. Art Cologne flaniert die Kunstgeschichte. Ein Parcours von der Moderne bis zu den Zeitgenossen. ... Die Zone der "Open Space" vereint als Sonderschau künstlerische Einzelpositionen. ... Doch die Übergänge sind fließend - auch zur Open Space, die sich in der Vergangenheit als exterritoriale Zone architektonisch absetzte. Sie unterbricht das umgebende Raster der Kojen und Gänge nur mit winkelig gestellten Wänden - das sieht ruhig und elegant aus, aber wo sich die Galerie Parrotta mit zwei schwarzen Seidenbahnen gegen den Messetrubel abgrenzt, entsteht sofort das Raumgefühlt der Einzelkoje. Dahinter flimmert ein Duell, zwei Frauenarme, verschlungen im Armdrücken, eine trägt ein Perlenarmband, die andere Tattoos. Susanne M. Winterlings Film "Untitled (The Pressure Behind Your Nail Colour My Dear)" kostet in einer Auflage von drei Stück 5200 Euro. ...

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Susanne M. Winterling verwebt in ihrer filmischen, fotografischen und installativen Arbeit widerspruchsvolle Momente wie Konzeptualismus und Romantik, Mystizismus und Rationalität, Dokumentation und Imagination und unterläuft damit überkommene Dualismen des Diskurses seit der Moderne. Ihre kontextbezogenen Arbeiten stellen dabei ein fein gesponnenes Netz aus historischen Bezügen, Referenzen und Zitaten dar, das stets auch die persönliche und familiäre Geschichte der Künstlerin integriert. Die Unauflösbarkeit des für den Betrachter ausgelegten Netzes aus Bezügen entspricht dabei einer künstlerischen Methode, die in Zweifel zieht, man könne zu Pudels Kern vordringen ohne einen Teil der Wahrheit auszublenden.

Die künstlerische Praxis Susanne M. Winterlings ließe sich als Reflexion über die Möglichkeiten und Brüche von Kommunikation und letztlich Kommunion, im Sinne einer Gemeinschaft verstehen, die ihre Einheit zelebriert. Insofern hegt die Künstlerin auch ein besonderes Interesse für Jugendliche, insbesondere Mädchen, ihre Gesten, Rituale und Geheimsprachen.

„In my portraits and videos I have always been working on the extraction and abstraction of gestures, because they seemed to me like a micro cosmos of psychology, human relations and conditions, like the shy gesture of a teenage girl throwing her hair to the back or the handing over of a coat as a caring gesture. So I guess my first association was with these real gestures and precious moments which can be between the staged and the documentary, because that’s the way I have worked a lot.“

Der 16mm Film Untitled (The Pressure Behind Your Nail Colour My Dear), 2009 zeigt ein Ritual des Kräftemessens. Es ist der Handschlag zweier Frauenhände zum Armdrücken, wobei einer der beiden Oberarme tätowiert und die Fingernägel schwarz lackiert sind, während der andere Oberarm Druckstellen und um das Handgelenk geschlungene Perlenketten aufweist. Die ungleichen, im Kampf vereinten Schwestern messen ihre Kräfte über eine Minute unentschieden unter höchster Anspannung, die jedoch nur im leichten Beben der Hände sichtbar wird. Jenes emblematische Bild, das sich nur durch das leichte Wanken der Hände als Film verraten würde, wenn da nicht das beständige Knistern und Rattern des Filmprojektors wäre. Susanne M. Winterlings Gespür für die materielle Präsenz der Dinge lässt sie immer wieder zum Celluloid zurückkehren.

Das Unerhörte des Fetischs beruht Peter Pels zufolge auf dessen „rein materieller Präsenz“. Immer wieder untersucht Susanne M. Winterling mit künstlerischen Mitteln die Formationen des Auratischen. So auch mit Tooth in Roots (2009). Auf einer Stele aus verspiegeltem Glas liegt angestrahlt auf einem weißen Puderkissen ein Zahn, inszeniert wie eine Reliquie.

„Wenn wir zwischen einem Ding und seiner Bedeutung, einem Symbol und seinem Referenten, einem Repräsentanten und dem von ihm Repräsentieren unterscheiden, dann scheint der Fetisch dieses wohlgeordnete Geflecht von gegenseitigen Beziehungen zu unterlaufen. Er repräsentiert nichts anderes als sich selbst. Er ist Zeichen und Bezeichnetes in einem. Die Locke der Geliebten wird aus sentimentalen Gründen aufbewahrt. Für jeden anderen ist sie wertlos.“

Tatsächlich fehlt den Betrachtenden der Referent für jenes sehr persönliche Symbol der Künstlerin, denn es ist der Zahn ihres ersten Ponys. Doch, was Susanne M. Winterling hier schön und verführerisch inszeniert ist die Auratisierung der Dinge selbst - und hierin liegt die Überschneidung von Mystizismus und Rationalität. Roland Barthes beschreibt die Schwierigkeit des Mythologen bei der Entschleierung des Mythos um zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass man den Mythos nur mit den eigenen Mitteln schlagen könne:

Es erscheint also außerordentlich schwierig, den Mythos von innen her zu reduzieren, denn die Bewegung, die man ausführt, um sich von ihm zu lösen, wird ihrerseits Opfer des Mythos. Der Mythos kann in letzter Instanz immer auch den Widerstand bedeuten, den man ihm entgegensetzt. Die beste Waffe gegen den Mythos ist in Wirklichkeit vielleicht, ihn selbst zu mythifizieren, das heißt einen künstlichen Mythos zu schaffen. Dieser konstruierte Mythos würde eine wahre Mythologie sein.“

Aufgrund ihrer Konkretheit und Beständigkeit eignen sich Objekte besonders gut Ideen, Erinnerungen und Gefühle zu verkörpern, Bedeutungen über Raum und Zeit hinweg zu transportieren und ihnen auf diese Weise Dauer zu verleihen. Ihnen eignet eine performative und kommunikative Kraft, die soziale Beziehungen zum Ausdruck bringt und sie zum Mittel der sozialen Distinktion werden lässt.erzeile

Jene besondere Bedeutung von Objekten in Bezug auf menschliche Beziehungen, deren Beginn und mitunter auch ihr Ende sie zu bannen scheinen, setzt Susanne M. Winterling ins Licht, indem sie sie zu Kunstobjekten transformiert. Wie die Objekte, mit denen sie sich selbst als leidenschaftliche Sammlerin umgibt und die als Extension des Selbst empfunden werden, so lassen sich öffentliche Sammlungen als eine Extension der Kulturen ansehen, die sie hervorgebracht haben. In den Museen erweist sich die Gesellschaft selbst als kollektiver Sammler. Die kulturellen und natürlichen Objekte, die sie der Öffentlichkeit darboten, wurden zu Gegenständen eines selbstbezogenen Kultes, einer Andacht, die letztlich den Beschauern galt. Birgit Kulmer, (C) Galerie Parrotta Contemporary Art.

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Susanne M. Winterling im Gespräch mit Jacob Fabricius, in: Little Theater of Gestures, Kunstmuseum Basel - Museum für Gegenwartskunst und Konsthall Malmö, Ostfildern 2009.

Pels, Peter "The Spirit of Matter: On Fetish, Rarity, Fact and Fancy, 1998.

Karl-Heinz Kohl: Die Macht der Dinge. Geschichte und Theorie sakraler Objekte, München 2003.

Roland Barthes: Mythen des Alltags, Frankfurt am Main 1964, S. 121.