Felix Meyer
reverse obverse
Berlin: 01. März – 29. März 2008
Mit der Ausstellung »Reverse Obverse« zeigt Felix Meyer im Berliner Projektraum der Galerie Parrotta die zweiteilige Arbeit »betamovement«. Beta Movement beschreibt das Phänomen scheinbarer Bewegung, die durch die Trägheit des Blicks entsteht, wenn zwei aufeinander folgende Bilder in der Wahrnehmung zu einem einzigen bewegten Bild werden.
Der erste Teil der Videoarbeit, die insgesamt sechs Kapitel umfasst ist die Projektion eines aufgeschlagenen Buches auf Leinwand. Die Seiten sind unbeschrieben, doch innerhalb des speziell zu diesem Zwecke hergestellten Buchblocks nuancieren sie vom Wind bewegt und zittern leicht in ihrer Axialität, wodurch sich ein ständig veränderndes abstraktes Bild entsteht. Das Buch selbst wird hier zum Darsteller, während die Kamera die narrative Ebene einführt und die Projektion das Buch wiederum zum Bild entkörperlicht. Unterschiedliche Kapitel zeigen unterschiedliche Momente der Schattierungen des Buches. Gegenüber der Leinwand befindet sich ein Monitor, der die Kapitel drei bis sechs zeigt. Anders als bei der Leinwandprojektion ist das aufgenommene Buch hier in einer Aufsicht zu sehen, die es nicht mehr als solches zu erkennen gibt. Stärker wird hier der reine, sich mit der Bewegung der aufflatternden Seite und dem Wechsel der Kapitel immer wieder verändernden Farbkontraste herausgestellt. Das Buch wird hier quasi physisch in den Monitor übersetzt.
»Wo ist denn die Geschichte? Ich bin genarrt! Ich sehe nichts als Schwarz mit Weiß gepaart!«, so endet eine Geschichte, die Merleau-Ponty von einem kleinen Jungen erzählt, der sich der Brille und des Buches der Großmutter bemächtigt hatte und nun glaubte, selbst die Geschichten entdecken zu können, die sie ihm zu erzählen pflegte. Für den Jungen ist die Geschichte eine Welt, die es auf magische Weise zur Erscheinung zu bringen möglich sein muss, indem man sich eine Brille aufsetzt und über ein Buch beugt. »betamovement« versetzt die Lesekundigen durch seine mediale Rückübersetzung wieder zurück in den Zustand des Jungen.
Dabei geht es Felix Meyer weniger um die verlorene »große Erzählung«, die mit der Aura der Großmutter verbunden ist, als vielmehr um die Problematik, die in dem Moment erwächst, in dem das Buch in seine Dinglichkeit zurückfällt, das heißt, seine Konstruiertheit aus Schwarz und Weiß, in der es zugleich Text und Bild ist. Welche Geschichte erzählt das Buch zurückgeworfen auf seine Medialität?
Die künstlerischen Arbeiten von Felix Meyer handeln von ausgedehnten Momenten des Dazwischen und einer Poetik des Rauschens. Sie oszillieren fortwährend zwischen den verschiedenen Medien wie Fotografie, Film, Skulptur und Text und loten dabei die Graustufen der Übergänge und Zwischenzustände aus.
»Vielleicht hat ja die eine Trägheit – die der Buchseite, dass sie immer noch existiert und insistiert gegenüber dem Film – etwas zu tun mit der anderen Trägheit, der des Auges, die zwei stille aufeinander folgende Bilder in scheinbare Bewegung versetzt wahrnimmt. Und vielleicht gibt es eine darauf folgende dritte Trägheit des Blickes, die uns eine Bewegung vom Buch (Text) hin zum Film wahrnehmen lässt, obwohl die beiden Medien vielleicht an einer ganz anderen Stelle miteinander in Berührung stehen.« – Felix Meyer
Felix Meyer, betamovement, 2008
Video auf DVD, 2-teilig, ohne Ton
Teil 1 für Projektion auf Leinwand, ca. 9:30 min
Teil 2 für Monitor, ca. 6:30 min.
Edition 5 + 1 ap