Benjamin Badock

 

 

Benjamin Badock »Modul –Module«
Die Motive von Benjamin Badocks großformatigen Holzschnitten sind dem Reservoir einer lakonischen Gegenstandswelt ohne Antlitz entnommen: Plattenbauten, Ecken, Balkone, ein Kaktus, ein Ball. Es sind auch Menschen darunter, jedoch Menschen ohne jegliche physiognomische Ausstattung. Was bei diesen zunächst wie ein Ausschluss von individuellen Merkmalen und reine Typenbildung erscheint, zeigt sich jedoch in Badocks unablässigem Spiel mit seriellen Elementen, Modulen, Bausteinen und Elementarformen vielmehr als eine Aufhebung von Typisierung. Aufgehoben wird diese paradoxerweise gerade durch die konsequente Hinführung auf das Prinzip der Serialität: Nahezu vierzig Module gleichen Formats finden sich in Benjamin Badocks »Plattenbaukasten«. Unterschiedliche Farbaufträge erlauben eine unendlich ausweitbare Form-, Farb- und Größenvielfalt der einzelnen Plattenbautypen. Ihre Präsentation in wandfüllenden Reihungen offenbart Erstaunliches: Jeder einzelne Plattenbau vermag aus dem gesamten Ensemble hervorzutreten und so ein Gesicht und einen ihm eigenen Ausdruck zu erhalten. Mit einer leisen Ironie führt Badock damit zwei Strömungen der Moderne erneut in die Arena der Auseinandersetzungen um die Bedeutung von Form und Farbe. Die Lanze einer expressiven Moderne, die sich gern des Holzschnittes bediente um ihre Linienführung mit Ausdruckskraft anzureichern, bricht sich unermüdlich an den (Platten)Bauhauswänden einer konstruktiven Moderne mit ihrer auf geometrische Grundformen reduzierten Sprache. Beide jedoch – so die in Badocks Arbeiten ablesbare Crux – speisen sich aus einem Paradigma der Stilisierung. Es ist Benjamin Badocks spezifische Hochdrucktechnik, die aus diesem Paradigma kein Dogma werden lässt. Seine ungemein leuchtenden Farben werden dem Druckstock mittels Handabrieb abgenommen. Die dadurch entstehenden Spuren der Unikate lassen die Farboberflächen atmen und zu Malerei werden, sie geben seinen Plattenbauten, Kaminen und menschlichen Figuren ein individuelles Antlitz wieder. Parallel zu der hier angekündigten Ausstellung in Stuttgart werden weitere Arbeiten von Benjamin Badock mit Thilo Droste unter dem Titel »Gemischtes Doppel« in der Kunsthalle Göppingen gezeigt. (c) Galerie Parrotta Contemporary Art
Benjamin Badock
Benjamin Badock

Richtig viel Farbe
In einem seiner frühen Selbstportraits zeigt sich Benjamin Badock als Tapetentarzan (2003). Vor einem wahrhaft leuchtenden Farbdschungel ist der Künstler zu sehen. Von hinten greift ein gelb-grüner Farbkeil nach dem Maler und weist ihm seinen Platz: Hier und jetzt – in Farbe!
In denselben Tönen dehnt sich auf seinem Bild Großes Fenster II (2005) ein Holzhaus im Bildraum aus. Das zerberstende Innere hat einen magentafarbenen Widerschein. Mit der Farbdetonation in Öl sprengt Benjamin Badock die Grenzen der Malerei und lässt diese vorerst hinter sich. Das große Nachglühen findet bei Badock seitdem nicht mehr auf der Leinwand statt und Pinsel und Farbe sind durch Schneidwerkzeug und Druckutensilien ersetzt. Der Plattenbau wird für einige Zeit zum Sujet und verdrängt das Eigenheim von der Bildfläche.
Die Hinwendung zum Plattenbau ist die konsequente Fortführung seiner Eckenstudien, kleinformatiger Bilder von sonst unbeachteten Winkeln. Was sich dort ballt, liegen bleibt und vergessen wird, interessiert ihn schon lange. Mit dem Wechsel des Mediums entdeckt er nun ein Motiv, das ebenfalls marginalisiert ist. Häufig als Hort der Monotonie und der Milieuschäden gebrandmarkt, verleiht er den Plattenbauten einen neuen »Glanz«. Nicht urbane Schmuddelecke, sondern leuchtende Vorstadt.
Wie macht er das? Mit seinem einzigartigen Baukasten von vierzig Form-Modulen (jedes im Format 36 x 51 cm) schafft der Künstler seit 2007 eine scheinbar endlose Variationsbreite an Haustypen. Die Module haben keine fest zugewiesenen Farben, beim Druck erst finden sich einzelne Farbakzente, legen sich Pigmentschichten übereinander und drängen feine Nuancen aus den Tiefen des Blattes an die Oberfläche. So erweitert Badock die antiquiert wirkende Drucktechnik ins Malerische. Weder stehen Linie und Form – wie im klassischen Holzdruck – im Vordergrund noch ist das endgültige Motiv auf der Platte zu sehen. Bei Badock findet sich dieses erst im Umgang mit den Formmodulen. Jeder einzelne Druck trägt so die Handschrift von Benjamin Badock, ist Resultat einer seriellen Technik und zugleich: Unikat!
Das Lebhafte seiner Arbeiten entsteht aber vor allem durch den Handabrieb. Anfängliche Versuche im Siebdruck sowie der Holzschnitt per Druckpresse wurden vom Künstler schnell wieder aufgegeben – zu leblos waren die Resultate in den Augen von Benjamin Badock. Der unmittelbare Umgang mit der Farbe und die Umsetzung des am Computer Simulierten sind beim Druck die wahre Herausforderung. Badock nutzt den Rechner um zu kalkulieren, ob eine Bildidee sich mittels der Baukasten-Module umsetzen lässt. Die Bilder selbst und das ihnen so eigene Leuchten entstehen aber erst durch die Handarbeit des Künstlers. Das Experimentieren mit dem Material ist dabei wesentlich. Einige der frühen Plattenbauten sind auf Chromolux – Papier gedruckt, einem Material, das der Fachhandel auch als Spiegelkarton mit für »einen Karton außergewöhnlichem Glanz« anpreist. Der Bildträger selbst also leuchtet bei diesen Arbeiten. Sein liebstes Material ist zweifelsohne die Farbe. Die von Badock gewählten Farben – häufig Neonfarben mit hoher Signalwirkung – sind wesentliches Charakteristikum seiner Werke – als Textur und in ihrer Leuchtkraft.
Mit den jüngsten Arbeiten entwickelt der Künstler sein Drucksystem konsequent weiter. Der neue Bausatz besteht aus einem Modulsystem von Quadrat, Rechteck, Dreieck und Kreissegmenten, deren kleinstes Modul 13 x 13 cm misst. Kein Schnitt ist mehr nötig. Die Platten werden nun von Badock neben-, in- und übereinander gedruckt. Er findet so zu einem reinen Hochdruck, der seinem malerischen Duktus und Farbgespür ein ideales Spielfeld bietet. Und noch eines ist neu: die Farblandschaften – das private Refugium des Balkons, das soziale Grün – werden nun von einzelnen Charakteren zaghaft zurückerobert: ein Mann, ein Kind, eine Frau. Sie alle bleiben gesichtslos, sind Typen, die wir uns zuvor in die menschenleeren Plattenbauten hineingedacht haben. Nun sind sie da, groß und in Farbe und behaupten ihren Platz. Archetypisch zwar, aber auch als Platzhalter für uns Betrachter.
Den aktuellen großformatigen Drucken mit neuem Personal stellt Badock mit seinen Abstracts eine kleinformatige und gänzlich gegenstandslose Serie an die Seite. Hier fügen sich die Module nicht mehr länger zu Großgebilden und -Bauten zusammen. Die Farbe steht selbstbewusst auf dem Papier – ist meist dicker als dieses selbst – und wird regelrecht zum Körper. Doch auch in diesen formalen Arbeiten kehrt der Alltag zurück, sind sie doch auf Zeitungspapier gedruckt. Die geometrischen Formen legen sich über die Schlagzeilen des Tages. Die gewitzte Kombination von Text und Form sowie der englische Titel, der auch eine Zusammenfassung meinen könnte, scheinen die tagesaktuellen Meldungen auf den Punkt zu bringen. Dem Frieden von Gestern (2009) weist ein Pfeil nach links den Weg: zurück auf Los? Geschichte neu erzählen!
Resonanzräume sind es, die Badock schafft. Sie geben Stimmungen wieder, lassen Baugeschichte erkennen und gesellschaftliche Utopien nachklingen. In den Bildern hallen aber auch ganz konkrete Meilensteine der Kunstgeschichte nach: die Flächigkeit der »Brücke-Maler«, die Farbverläufe des japanischen Holzschnitts und die Signalfarben der »Pop Art«. Die neuen schablonenhaften Figuren bei Badock lassen an das suprematistische Personal von Kasimir Malewitsch denken, der Bestehendes überwinden und eine gänzlich neue Sprache schaffen wollte. Auch Badock ist ein Erneuerer. Beständig erfindet er seine künstlerische Ausdruckskraft neu, entwickelt sein Formenrepertoire weiter und findet unter Einsatz seiner elementaren Baukästen zu einer neuen Form der Malerei. Einer Malerei, die Referenzen an Gegenwart und Vergangenheit paart und ins Heute überträgt. So mutet das jüngste Personal bei Badock wie altes Handwerk aus dem Erzgebirge an. Einer Region, die besonders für ihr weihnachtliches Leuchten in der ganzen Welt bekannt, ansonsten aber eher eine vergessene Ecke der Republik ist. Eine dieser Figuren ist in Badocks jüngster Arbeit Panoramatapete (2009) zu sehen – Tapetentarzan am Ziel seiner Träume? Mitnichten! Am Horizont leuchten bereits die nächsten Ideen des Benjamin Badock! Eins ist schon jetzt gewiss: Uns erwarten Arbeiten mit richtig viel Farbe! (c) Stefanie Sembill
Benjamin Badock
Benjamin Badock

Das Prinzip Reihenhaus
»Alle Menschen haben den gleichen Organismus mit den gleichen Funktionen. Alle Menschen haben die gleichen Bedürfnisse. Der Gesellschaftsvertrag, der sich im Lauf der Jahrhunderte stetig weiterentwickelt, bestimmt Klassen und Funktionen der Menschen, und damit Standardbedürfnisse, die Standardlösungen zeitigen. Das Haus ist ein dem Menschen notwendiges Erzeugnis. Das Bild ist ein dem Menschen notwendiges Erzeugnis, notwendig um geistige Bedürfnisse, die von typischen inneren Regungen bestimmt sind zu befriedigen. Alle großen Werke der Kunst gehen auf einige wenige typische Regungen des Herzens zurück: Ödipus, Phädra, der verlorene Sohn, die Madonnen, […]. Einen Standard entwickeln, heißt alle praktischen und vernünftigen Möglichkeiten erschöpfen, heißt einen als zweckgerecht erkannten Typ auf ein Höchstmaß an Leistung und auf ein Mindestmaß an aufzuwendenden Mitteln […] zu bringen.« 1 Le Corbusier, 1922
In der Plattenbauten-Serie arbeitet Benjamin Badock mit einem System von 40 Druckplatten (36 x 51 cm), die immer wieder neu farbig ausgestaltet und kombiniert werden. Er bedient sich bei der Druckstock-Herstellung der traditionsreichen und anachronistisch anmutenden Methode des Holzschnittes, bei dem von einem Holzbrett mit einem Schneidemesser die nicht druckenden Teile entfernt und die erhabenen Teile danach im Hochdruckverfahren eingefärbt und abgedruckt werden. Stehen in der klassischen Methode des Holzschnittes jedoch die Linie und die Form im Vordergrund, so erweitert Benjamin Badock sie ins Malerische: Dem Material – der Farbe – kommt hier eine weitaus größere Bedeutung zu als dies in der langen Tradition dieser Technik üblicherweise der Fall ist. 2 Badock druckt immer neue Farbschichten übereinander und rückt so die Prozesshaftigkeit der Entstehung ins Zentrum seines Interesses. Die Druckplatten werden immer wieder gereinigt und neu verwendet, es ist ihnen keine feste Farbigkeit zugeordnet. Das Bild entsteht daher nicht auf der Druckplatte, sondern während des Arbeitsprozesses, das heißt während des fortwährenden Überdruckens. Die Farben überlagern sich, bestehende Flächen gehen verloren, neue Farbfelder entstehen. Die Wahl der Farbe erfolgt dabei intuitiv, mitunter steht sie aber wie die Ausführung insgesamt in direktem Zusammenhang mit dem Inhalt, der dargestellten Hausart: die Barracks sind im militärischen Grün gehalten, die Reihe der Blockhäuser dagegen, anmutend wie düstere Wachskratzbilder, betont die Struktur des Holzes, andere Plattenbauten wirken futuristisch-utopisch, kühl-elegant oder kindlich-naiv.
Überhaupt entwickelt Benjamin Badock aus der begrenzten Anzahl von Modulen schier unendliche Kombinationen und Konstellationen: Die Gebäude stehen vor unterschiedlichen Hintergründen, hinter Maschendrahtzäunen, Berglandschaften oder Hecken, sind mit Balkonen oder Satellitenspiegeln ausgestattet oder auf Le Courbusiersche Stelzen gestellt. Daneben fensterlose gelbe Rundbauten, eine phantastische Architektur, die ihre Inspiration in der so genannten Revolutionsarchitektur des ausgehenden 18. Jahrhunderts 3 gefunden haben mag. Oder sind es Planetarien, Raketenstationen, Kernkraftwerke, Bunker, die hier als Inspiration dienten? Wie dem auch sei, stets entstehen Reihen mehr oder weniger gleichförmiger Architekturen, die dann enden, wenn die Kongruenz durch farbliche oder formale Veränderungen nicht mehr gegeben ist.
Der Abdruck erfolgt bei Badock stets durch Abreibung per Hand 4 und steht allein in der Methode schon im Widerspruch zu der durch den Plattenbau verkörperten industriell-perfekten Massenfertigung. Bei aller Serialität ist jede Arbeit ein Unikat. Ein Unikat jedoch, das mitunter und je nach Serie horizontal oder vertikal (theoretisch unendlich) erweitert werden kann, denn die 40 Druckplatten-Module sind zum Teil im Reihenhaus- oder Hochhausprinzip immer wieder neu kombinierbar. Wie das Prinzip Modul an sich, trägt diese Methode immer auch die megalomane Hoffnung des Größeren in sich, die jedoch – nicht nur in Badocks handgedruckten Plattenbauten – zum Scheitern verurteilt ist. Der Traum von einer uniformen Stadt, bestehend aus gleichförmigen Wohneinheiten, leitete auch Le Corbusier (1887 – 1965), der mit seiner Unité d‘Habitation 5 als Hochhaustyp das Vorbild moderner Plattenbauten lieferte. Grundgedanke war die Abkehr vom Historismus und seinen verspielten Formen, sowie die Reduktion auf das Wesentliche und die Verwendung neuer Materialien wie Beton, Stahl und Glas. Für Le Corbusier spielte hierbei der Verzicht auf Dekoration und die Verwendung einheitlicher Materialien zugunsten eines uniformen Erscheinungsbildes die entscheidende Rolle. Der Modularität entsprechend, sollten Gesamtsysteme aus standardisierten Einzelbauteilen zusammengesetzt und für einen »gleichen« Menschen eine ebenso gleichförmige Architektur geschaffen werden. Während Chesterton das Zuhause als Ort der Freiheit des kleinen Mannes beschreibt, so war für Le Corbusier klar, dass allein eine uniforme Architektur aus elementaren geometrischen Formen und frei von rein dekorativen Effekten dem Menschen entsprechen könne. Der »Sentimentalität« und dem Dekor stellte er die geometrische Ordnung, die rational-einfache Einheitlichkeit entgegen. Doch das Dekor siegt über sachliche Einheitlichkeit und funktionalen Purismus: Egal ob Wohnmaschine, Plattenbau oder Reihenhaus, der Mensch ist Individuum und seine Lust zur Gestaltung entfaltet sich am freiesten im eigenen Wohnumfeld. Dies musste bereits der junge Le Corbusier erkennen, wenngleich er zeitlebens die Hoffnung nicht aufgab, dass der Mensch eines Tages reif sei für das »neue Wohnen«.Doch wie viel Individualismus verträgt das System? Wann wird Kompabilität unmöglich und aus dem System eine Reihung monolithischer Elemente? (c) Hilke Wagner

1 Le Corbusier, Ausblick auf eine Architektur, (1922), Frankfurt a. M. 1963, S. 107f.
2 Ob im japanischen oder chinesischen Holzschnitt, im Holzschnitt des Expressionismus oder später bei HAP Grieshaber.
3 Sie erinnern an die utopischen Architekturentwürfe von Etienne Louis Boullée oder Claude-Nicolas Ledoux.
4 Gerade »fehlerhafte Abriebe« verleihen dabei dem Druck eine besondere, fast haptische Oberflächenqualität: hier wird die Form mitunter in ihrer Dreidimensionalität erfassbar.
5 Realisiert wurden derartige, nach dem von Le Corbusier entwickelten Maßsystem Modulor konzipierten Wohneinheiten vor allem zwischen 1947 und 1965 in Marseille und Berlin. Durch Serienproduktion wollte Le Corbusier ein hohes Maß an Effizienz erreichen. Diese Wirtschaftlichkeit und die weite Verbreitung sollten einer breiten Masse einen erhöhten Wohnkomfort ermöglichen. Damit sind die Wohneinheiten Vorläufer der Plattenbauten.
Benjamin Badock
Benjamin Badoc

Benjamin Badock »Into the woods tonight«
»Die Holzschnitte verlangen, scheint mir, die Einfachheit. In ihnen bewohnte meine Träumerei das wesenhafte Haus.« (Gaston Bachelard)
Auf schwarzes Papier gedruckt: ein neunäugiger Häuserblock – »Blockhaus«. Und tatsächlich, zwar breitbeinig, doch etwas schmächtig steht er da im Nirgendwo, der türenlose Bau. Als hätte er sich in den Wäldern verirrt, als wüsste er nicht so recht wohin mit sich.Nicht nur die Fassade, auch die übrige, unterschiedslose Fläche ist überzogen mit einer fasrigen Maserung, wie sie Holzverschalungen gerne an kalten Betonwänden hinterlassen. Die geschichteten Farben durchwandern einander auf dem einzelnen Blatt. Als Technik gibt sich der Holzschnitt flächendeckend zu erkennen und wird ein Stück weit selbst zum Thema. Jede Druckplatte hält sich selbstbewusst auf Distanz zu ihren Nachbarn und fügt sich doch ins modulare Prinzip. Ein solcher Bau aus Platten kann systematisch ausgedehnt und variiert werden und dabei monströse Dimensionen annehmen, sich hager in die Höhe recken, fett in die Breite wuchern oder beides zugleich. Schon in dezenter Größe erscheint der Abstand zwischen Erdboden und Gebäude unüberwindlich, »[…] eine Wohnung ist kein Haus, denn sie ist ein Haus auf Stelzen« (Gilbert K. Chesterton).Sonderbare Architekturen des Alltags geben auch der Malerei ihre Anregung. Auf kleinen Formaten entwickeln sich oft absurde Situationen, in denen Personen nur als Spuren ihrer selbst in Erscheinung treten: als Markierung im Schnee, als Hut am Haken aufgehängt, als Eis in schrägen Farben.
Das Absonderliche gerät in den Blick, wird nicht belächelt, sondern begeistert erweitert, gewitzt umgedeutet oder trickreich »imitiert«: So kommen an realen Galeriescheiben und Ausstellungswänden offensichtlich »künstliche« Folien zum Einsatz, deren eigentliche Aufgabe es wäre, sich als ihre unerreichbaren Vorbilder auszugeben – je nach Geschmacksrichtung hier als »Eiche hell«, dort als »Marmor Carrara« (Betonimitat gibt es nicht). (c) Lisa Steib

 

Jahresprogramm, Vertretung des Landes Niedersachsens beim Bund 2010