Er schwieg einen Augenblick. Lauschte der Wüstenstille. Einem Labyrinth aus Stille. Hob den Kopf zum rätselhaften Mond, zu den majestätischen Platten auf den Gipfeln des Îdenan, dessen geheimnisvolle Majestät durch das Licht des Mondes noch verstärkt wurde. „Das allein schon genügt. Die Schönheit des Vollmonds und das rätselhafte Licht des Berges. Diese Stille. Lausche doch dieser Stille, du Tor. Genügt denn das alles nicht als Grund zum Leben? Genügt dir das nicht als Rechtfertigung, glücklich zu sein ... ?“ Ibrahim al-Koni, Die Magier, 2001
Eine Eigenschaft der Fotografien Detlef Orlopps scheint darin zu bestehen, dass sich ihnen nur schwerlich Eigenschaften zuschreiben lassen. Seinen detailvollen, bildfüllenden Berg- oder Seelandschaften mit ihrem hohen Horizont fehlt jeder Hinweis auf menschliche Gegenwart. Diskret und zurückhaltend registriert er strukturelle Ereignisse zwischen Schwarz und Weiß, in denen sich romantische Erfahrungen des Erhabenen verdichten und auf ursprünglich Irdisches verweisen.
Detlef Orlopp nimmt eine Perspektive ein, die eine Hierarchie von Bedeutung geradezu ausschließt. Es entsteht „eine fast gleichmäßig zu nennende Zeichenstruktur, die vom Licht erzeugt wird, das jede Bodenerhebung mit einem Schlagschatten versieht“ (Peter Weiermair). In der Distanziertheit, die jeder Einmischung entsagt, liegt eine Leere und Ruhe, die diese Konkrete Fotografie mit einer Transzendenz in Verbindung bringt, die von jedem Glauben entbunden ist.
Neben seiner Landschaftsfotografie portraitiert Detlef Orlopp seit den 60er Jahren auch Menschen. Wie die Natur sich von konkreten topografischen Orten zu Zeichen der Landschaft entwickelt, so scheinen auch seine Portraits jenen zugleich distanzierten und doch die Nähe aufspürenden Blick zu spiegeln und die konkreten Personen zu Zeichen des Menschseins werden zu lassen. Die Ausstellung schließt Orlopps Portraitserie zu Max Bense ein, der bereits 1967 Fotografien von Detlef Orlopp in der von ihm geleiteten Studiengalerie der Technischen Hochschule Stuttgart zeigte.
Detlef Orlopp, geb. 1937 in Elbing/Westpreußen, studierte an der Staatlichen Höheren Fachschule für Photographie in Köln und der Staatlichen Schule für Kunst und Handwerk in Saarbrücken bei Otto Steinert, dem er 1959 an die Folkwangschule in Essen folgte. 1961 erhielt er einen Lehrauftrag an der Werkkunstschule in Krefeld, an die Orlopp 1973 bis zu seiner Emeritierung zum Professor für Fotografie und Film berufen wurde. Im Zuge des Ankaufs des fotografischen Werks von Detlef Orlopp widmet ihm das Museum Folkwang Essen 2015 eine umfangreiche Retrospektive.
ZITATE
Detlef Orlopps Seestücke sind stille, verhaltene Bilder, die ihre ganze Dynamik aus der kleinteiligen Binnenstruktur beziehen … und die erschließt sich erst bei näherem Hinsehen. Die Motive der Bilder sind atlantische Wasseroberflächen von oft quadratkilometerweiter Ausdehnung ... Detlef Orlopp bezeichnet seine fotografischen Bilder als Zeichnungen ... als Lichtzeichnungen, die aus Reflexen und Brechungen an großen, scheinbar homogenen Oberflächen entstehen und bestehen. Rolf Sachsse, in: Professional Camera (München) 5/1980, S. 59-65
Die Natur im Quadrat, ... Detlef Orlopp hat sich dem Studium der Natur verschrieben, aber nicht als Wissenschaftler. Er sucht die von der Natur an der Oberfläche erzeugten graphischen Strukturen, die erst von der Fotografie zu statischen Objekten gemacht ihre ganze Vielfalt offenbaren. ... Schatten verdichten sich zu schwarzen Löchern und Rissen im Bild. Detlef Orlopps Ausschnitte lassen keine Lokalisierung der Landschaft zu. Alles Anekdotische und Pittoreske ist aus ihnen verbannt. ... Nähe und Ferne sind auf dem quadratischen Ausschnitt zusammengerückt. Licht und Wind bestimmen die Struktur ... Das Ergebnis ist immer ein abstraktes, aber doch vertrautes Muster. Ulrike Lehmann weist im Katalog auf die Verbindung zu Monet hin, der „zum ersten Mal deutlich von der Wirklichkeit“ abstrahiert und diese „nicht allein wiedergibt, sondern zu gleich ihre Wahrnehmung thematisiert“. Mit Hilfe des Objektivs seiner Kamera macht auch Detlef Orlopp deutlich, wie sehr die in der abstrakten Kunst von Hand und Geist erzeugten Formen denen der Natur verwandt sind. ... 1977 war er bei der Eröffnung des Centre Pompidou dabei. 1984 in der Bibliothèque Nationale bei der Schau „Photographie Crèative“. Angelika Heinick, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 4.8.1990, S. 31
Ein Meer aus Strichen, ... Das Erkennen, ob es sich um einen Berg, eine Bucht, einen Küstenabschnitt handelt, unterlaufen die Fotos, indem sie sich auf eine eher aus der Malerei bekannte Abbildung der Struktur dieses Ausschnitts konzentrieren. ... Gerade in diesen Fotografien geht Orlopp optisch bis an die Grenzen des Sichtbaren. Während in fast vollkommen schwarzen Fotos die Wasseroberfläche wie in Stein gemeißtelt wirkt, löst sie sich in hellen Aufnahmen nahezu auf. Die Schwarzweißfotografie wird hier an ihre Grenzen getrieben. Hans-Peter Riese, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.2.2007, S. 36